Ohne Titel
1969Acryl auf Leinwand100 x 100 cmDieses Gemälde gehört zu einer Serie von ungefähr zweihundert Kreisbildern, die Olivier Mosset zwischen 1966 und 1974 geschaffen hat. Arbeiten aus dieser Serie, über deren Anzahl unterschiedliche Angaben zirkulieren, wurden 1967 durch Aktionen der französischen Künstlergruppe BMPT in Paris bekannt. Neben Mosset (M) als jüngstem Mitglied gehörten der bis Ende jenes Jahres aktiven Gruppe Daniel Buren (B), Michel Parmentier (P) und Niele Toroni (T) an. Wie diese arbeitete auch Mosset an einer grundsätzlichen Erneuerung der Malerei. Die Künstlerfreunde bestärkten ihn in seiner Suche nach einer, wie Edmond Charriere schreibt, «neutralen, anonymen, ereignislosen Malerei».¹ Indem er immer das gleiche Bild malte, betonte Mosset in seiner Malerei den Aspekt der Arbeit. Ein Begriff, der auch für Niele Toroni sehr wichtig ist. Autorschaft und Kreativität, vor allem aber der Werkbegriff wurden durch die serielle Herstellung von formal identischen, weder signierten noch datierten Bildern zur Debatte gestellt. Es handelt sich bei den Kreisbildern um weiss grundierte Leinwände von jeweils 100 × 100 cm, in deren Zentrum ein Ring mit einem Durchmesser von 15,2 cm gesetzt ist, ausgeführt in schwarzer Acrylfarbe. Die Kreisbilder selbst sind für Mosset, wie der Zirkel und der Pinsel, mit denen er sie geschaffen hat, Instrumente der ästhetischen Reflexion. Sie gehören einer bestimmten Zeit an und greifen damals aus der Perspektive eines jungen Malers brisante kunstimmanente Fragen auf. Unbeachtet scheint mir bislang allerdings der Aspekt des namensgebenden Kreises und seiner Deutung geblieben zu sein. Markiert der schwarze Ring eine weisse Kreisfläche im Zentrum der weiss grundierten Leinwand oder malte Mosset den Ring ins Zentrum des weissen Quadrats, um das Bildfeld zu gliedern, allerdings mit dem paradoxen Ziel, eine hierarchiefreie und richtungslose Komposition zu schaffen? Eine bildnerische Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Figur und Grund, die damit angesprochen ist, findet sich in seinem Werk in Gestalt ringförmiger Gemälde, deren eines, Untitled (2002), sich in unserer Sammlung befindet. Ausgehend von seinem konzeptuellen Bildverständnis entwickelte Mosset später, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo er seit 1977 lebt, eine an Monochromie interessierte Malerei. Mosset fand den Nullpunkt, nach dem er, wie andere auch, als junger Künstler gesucht hatte. Es gelang ihm, die Hoffnung auf einen Neuanfang, die viele nach 1945 bewegte, in seinem Werk einzulösen. Mosset hat die Leinwand entleert und danach deren Farbigkeit zum alleinigen Sujet seiner Arbeit gemacht. Keine Komposition, keine Zeichnung, wandfüllende Formate. Farbe wurde in seinem OEuvre immer wichtiger, den ultrafeinen Farbabstufungen gehört manchmal seine ganze Aufmerksamkeit. In seinem reifen Schaffen ist das Medium die Message, somit nicht die bemalte Oberfläche der Leinwand, sondern der Körper der Malerei in ihrer spezifischen Erscheinung.
Roman Kurzmeyer
¹ Edmond Charriere, «Niemals wird ein Pinselstrich die Malerei abschaffen», in: Sophie Ott (Hg.), Olivier Mosset, Baden 1990, S. 13–19, hier S. 14.