Perpetual Time Clock
20049 Tondi aus Holz, bemalt240 x 240 x 50 cmPerpetual Time Clock (2004) von Mai-Thu Perret ist eine Art Wanduhr für eine Gesellschaft, welche die mechanische Zeiterfassung abgeschafft hat. Man könne sich diese Uhr, so die Künstlerin, sowohl an der Wand des Speisesaals einer klösterlichen Gemeinschaft vorstellen als auch im Zentrum eines weltlichen Lebenskollektivs. Tag für Tag würden die Mitglieder dieser lediglich als Vorstellung existierenden Gemeinschaften an die wesentlichen Aktivitäten erinnert, welche den Tagesablauf idealerweise gliedern sollten. Diese Tätigkeiten sind symbolisch auf kleinen Rundtafeln («Tondi») festgehalten. Malerisch und als essenziell dargestellt sind: künstlerische Arbeit im Atelier, der Umgang mit Tieren, Meditation und Yoga, Lesen und Studium, der Anbau von Lebensmitteln, die Erfahrung des Unbewussten, Sport und nicht zuletzt Schlaf. Perret bezieht sich in ihrem Schaffen wie viele Künstlerinnen und Künstler der jüngsten Generation auf Werke oder Ereignisse aus der Kunstgeschichte. Besonders interessiert sie sich für jene geschichtlichen Momente, in denen künstlerische, private und gesellschaftliche Utopien aufeinanderprallen. So rezipiert sie beispielsweise die Schriften von Künstlerinnen und Künstlern des russischen Konstruktivismus und nimmt deren biografische Spuren auf. Perret sucht durch ihre eigenen Werke den Dialog mit Formen und künstlerischen Sprachen insbesondere des frühen 20. Jahrhunderts, eines Zeitabschnitts in der jüngeren Geschichte, den die Kunstgeschichtsschreibung als «Moderne» bezeichnet. Die Künstlerin stellt Bezüge zu historischen Begebenheiten oder künstlerischen Zielsetzungen nicht her, um diese inhaltlich zu vermitteln, sondern um vielleicht unerfüllte Wünsche zu erneuern oder modernistische Vorstellungen noch einmal zu betrachten. Die Welt, über die Perret in ihrer Kunst nachdenkt, für die sie Dinge entwirft und Bilder malt und die nach und nach durch jede weitere Arbeit in ihrem Werk Gestalt annimmt, ist eine Modellgesellschaft, die keinen Ort hat ausser in unserer Vorstellung. Sie existiert lediglich als künstlerischer Entwurf und ist insofern eine echte Utopie. Mai-Thu Perret bringt in Perpetual Time Clock (2004) mit künstlerischen Mitteln einen Wunsch zum Ausdruck, den alle kennen und den wir alle mit ihr teilen: Es ist der Wunsch nach einem selbstbestimmten Tagesablauf und einer sinnvollen Verwendung unserer Lebenszeit.
Roman Kurzmeyer